Immer mehr Übergriffe auf Behörden-Mitarbeiter im Südwesten – Finanzämter bekommen Software „Stiller Alarm“

Ämter und Behörden sollen bürgerfreundlich, serviceorientiert und offen zugänglich sein. Das schließt in der Regel Eingangskontrollen aus. Doch was, wenn die Kunden und Bürger nicht in friedlicher Absicht kommen? Vor allem „Reichsbürger“ sind gefährlich.

Viele Kommunen bereiten ihre Mitarbeiter auf solche Bedrohungsszenarien vor. Nun sollen auch die Finanzämter in Baden-Württemberg bis Ende 2017 mit der Software „Stiller Alarm“ ausgestattet werden.

Ob Erpressung, Nötigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Mitarbeiter mehrerer Behörden der Finanz-, Justiz- und Innenverwaltung im Land wurden im laufenden Jahr bereits Opfer von Übergriffen und strafbaren Handlungen durch sogenannte „Reichsbürger“. Die Anhänger dieser Gruppe erkennen den deutschen Staat nicht an, weigern sich, Gebühren oder Bußgelder zu bezahlen, und beantworten Forderungen von Landratsämtern oder Rathäusern mit wirren Einsprüchen oder wüsten Beschimpfungen. „Die Aggressivität dieser Gruppe gegenüber Behördenmitarbeitern hat zugenommen“, stellt Karl Klein (CDU), Vorsitzender des Landtags-Innenausschusses, fest. Das Gremium befasste sich nun mit dem Bericht der Landesregierung über Maßnahmen zum Schutz vor Reichsbürgern.

Unter anderem meldeten demnach mehrere Finanzämter, Polizeipräsidien, die Staatsanwaltschaft Heilbronn, das Amtsgericht Radolfzell, das Jugendamt Ostalbkreis und mehrere Landrats- oder Bürgermeisterämter im Lauf des Jahres Übergriffe und Handlungen von „Reichsbürgern“ gegen Mitarbeiter – Tendenz steigend. Landesweit haben kommunale Behörden mit Bürgerkontakt und Landesverwaltung schon mit unterschiedlichen Mitteln auf die wachsende Bedrohung reagiert. „Die Städte haben das auf dem Schirm, die Kommunen finden vor Ort für sich geeignete Lösungen“, sagt Christiane Conzen, Pressesprecherin des baden-württembergischen Städtetags.

„Es gibt technische Lösungen, manche haben auch bauliche Lösungen gefunden wie Glaswände, Glastüren oder Verbindungstüren. Und die Mitarbeiter werden geschult.“

Nun ziehen auch die Finanzbehörden des Landes nach. Deren Mitarbeiter werden zur Zielscheibe, sobald sie Gebühren einfordern. „Und das Besteuerungs- und Betreibungsverfahren wird für Reichsbürger wie für andere Steuerpflichtige auch konsequent durchgeführt“, sagt der Sprecher des Finanzministeriums. Zwar gebe es keine Statistik über die Zahl der Übergriffe. Aber es würden immer wieder Fälle bekannt, in denen sich „Reichsbürger“ gegen Zahlungsaufforderungen oder Bußgeldbescheide wehren oder Vollstreckungsbeamte bedrohen.

Aus diesem Grund hatte das Ministerium bereits im März einen Handlungsleitfaden erarbeitet. Zudem bietet die Oberfinanzdirektion Schulungen an. Dem folgt nun auch eine praktische Hilfe: Alle Finanzämter des Landes sollen voraussichtlich bis Jahresende die Software „Stiller Alarm“ erhalten, die derzeit noch in mehreren Finanzämtern getestet wird. Die Mitarbeiter können dabei per Tastendruck und für einen Eindringling nicht wahrnehmbar eine der drei Alarmstufen „Hilfe“, „Polizei“, Amok“ auslösen sowie Brandalarm geben. Genaue Informationen über die Software gibt das Ministerium aus Sicherheitsgründen zwar nicht heraus. Aber in einem solchen System wird der Alarm in der Regel über ein Icon am Bildschirm oder über die Tastatur ausgelöst, möglich ist auch ein USB- oder Funkbutton. Überlegungen, den Zugang etwa zu Finanzämtern generell durch Ausweiskontrollen zu beschränken, gibt es aber derzeit nicht. Und auch den landesweiten „stillen Alarm“ in Behörden wird es vorerst nicht geben.

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