Geht es um die berufliche Existenz, liegen die Nerven schnell blank. Bei Arbeitsagentur und Jobcenter für den Kreis Hersfeld-Rotenburg gibt es daher viele Sicherheitsvorkehrungen.
Es geht ums Geld für die Familie, den eigenen Lebensunterhalt: Die Arbeit von Jobvermittlern verlangt besonderes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen, die sich bei ihrem Besuch in der Behörde häufig in Ausnahmesituationen befinden.
Für die Auseinandersetzung mit ihnen werden die behördlichen Mitarbeiter regelmäßig und intensiv geschult, um aggressive Stimmung erst gar nicht aufkommen zu lassen beziehungsweise diese durch das richtige Verhalten in kritischen Situationen möglichst geschickt abzuwenden.
Das berichten unisono der Chef der Arbeitsagentur Bad Hersfeld – Fulda, Waldemar Dombrowski, und die Sozialdezernentin des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, Elke Künholz, die für das kommunale Jobcenter zuständig ist – seit 2005 wird es vom Landkreis, der Optionskommune ist, betrieben.
Es gibt regelmäßige Schulungen – in Abstimmung mit der Polizei
„Sicherheit ist bei uns ein sehr großes Thema – es geht dabei um Schutz für unsere Mitarbeiter ebenso wie für unsere Kunden – denn auch für die 40 000 Menschen, die jährlich zu uns kommen, haben wir Verantwortung“, sagt Dombrowski. Alle Jobvermittler würden daher in Gewaltprävention geschult – und das regelmäßig und in Abstimmung mit der Polizei.
„Das ist wie ein Fahrsicherheitstraining beim Autofahren – es muss eingeübt werden, damit es in kritischen Situationen auch sitzt“, erklärt Frank Kamolz, Bereichsleiter bei der Arbeitsagentur und mit Dombrowski dort auch Evakuierungsverantwortlicher. Denn neben der Prävention haben Arbeitsagentur und Jobcenter eine Vielzahl von Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die im Notfall schützen sollen.
In beiden Häusern gilt null Toleranz: Wer gewalttätig wird, bekommt ein sofortiges Hausverbot. Dazu komme es im Landkreis allerdings erfreulich selten, wissen Künholz und Dombrowski zu berichten.
Sozialdezernentin Künholz: Sicherheitsdienst ist ein Auslaufmodell
Von Beleidigungen über Schläge bis hin zu Messerangriffen – was Jobvermittler bundesweit in ihrem Beruf erleben, sorgt immer wieder für Schreckensmeldungen. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hatten im vergangenen Jahr 457 von 1373 Arbeitsagenturen und Jobcentern einen Sicherheitsdienst beauftragt – eine Steigerung im Vergleich zu 2017 von 7,5 Prozent.
Im Landkreis ist das nicht so. Der einzige Sicherheitsdienst, der im Landkreis seit 2015 im Gebäude am Bad Hersfelder Hubertusweg eingesetzt wird, ist laut Sozialdezernentin Elke Künholz mittelfristig ein Auslaufmodell.
Aber: Auf den Schreibtischen gibt es keine spitzen Gegenstände mehr
Gewalt gegen Jobvermittler, so etwas ist nie auszuschließen, sagt Waldemar Dombrowski, Chef der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld – Fulda. „Auch wenn in über 99 Prozent der Fälle alles reibungslos, entspannt und professionell funktioniert, weil unsere Mitarbeiter auf positive Kommunikation geimpft sind.“
Dennoch gebe es Menschen in angespannten Situationen, wie Jobverlust und familiäre Probleme es sind. „Dann kann es sein, dass diese ihre Probleme zu uns mitbringen und es auch schnell einmal zu verbalen Übergriffen kommt – die mitunter sogar körperlich werden“, sagt Dombrowski.
Deshalb gebe es ein engmaschiges System für Schutz und Sicherheit. Die alten Leitpfosten, die früher im Eingangsbereich als mobile Geländer genutzt wurden, sind abgebaut worden, Scheren und spitze Brieföffner wurden von den Schreibtischen verbannt und Einzelstühle, die beim Ausrasten zu Wurfgeschossen werden können, findet man in der Agentur für Arbeit auch nicht mehr in den Wartebereichen.
Sogar die Teeküchen sind nur noch mit Schlüsseln für die Mitarbeiter zugänglich, damit nicht etwa in den Lebensmitteln im Kühlschrank eklige Dinge passieren oder sich jemand dort mal eben schnell ein Messer holen kann.
Kurze Wartezeiten sollen die Chancen für Aggressivität verringern
Wie akribisch am Sicherheitskonzept gearbeitet werden muss, zeige ein Beispiel aus Fulda: Dort war ein Kinderspielbereich mit entsprechend kleinen Kinderstühlen eingerichtet worden. Nachdem ein Randalierer einen solchen durch die Gegend gedonnert hatte, ist der Kinderspielbereich wieder abgebaut worden, berichtet Agenturchef Dombrowski.
„Eine entscheidende Rolle, um Aggressionen erst gar nicht aufkommen zu lassen, liegt in der Zugangssteuerung“, sagt Elke Künholz, Sozialdezernentin und Vize-Landrätin im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Durch Terminvergabe und kurze Wartezeiten wird vermieden, dass die Leute nicht wie früher lange im vollen Gang warten müssen. „Das gibt es nicht mehr – und das hat sich bewährt“, sagt Michael Apel, Fachdienstleiter im Jobcenter.
Von 41 Hausverboten in zwei Jahren wurden drei aufgehoben
Und wer dennoch aggressiv werde, für den gelte die Null-Toleranz-Regel. „Im Zeitraum von 2016 bis 2018 haben wir 41 Hausverbote ausgesprochen – drei davon wurden wieder aufgehoben – und das bei einer Kontaktdichte von rund 15 000 Menschen pro Jahr“, erläutert Künholz.
Einen Sicherheitsdienst gebe es lediglich im Standort am Hubertusweg, wo aus baulichen Gründen nur sehr kleine Wartebereiche vorhanden seien, was häufiger zu Spannungen führe. „Er wurde 2015, in der Hochzeit, als sehr viele Menschen zu uns kamen, beauftragt. Jetzt, wo die Zuweisungszahlen sinken, ist es unser Ziel, mittelfristig auf ihn verzichten zu können“, sagt Künholz.
Und wenn doch etwas passiert? Sowohl Landratsamt als auch Agentur für Arbeit haben einen engen Kontakt zur Polizei. Zudem gibt es hausinterne Alarmketten, die jeder Mitarbeiter auslösen kann, wenn ein Gespräch zu eskalieren droht. Dann kommen die Kollegen aus den Nachbarbüros zu Hilfe.
Die Hemmschwelle für einen harschen Ton ist gesunken
„Bei uns auf dem Land ist aggressives Verhalten glücklicherweise kein so großes Thema wie in den Brennpunkten in Großstädten“, sagt René Bieber, Leiter des kommunalen Jobcenters. Trotzdem sei die verbale Hemmschwelle, in einen harschen Ton zu verfallen und sehr, sehr vehement zu werden, in jüngster Zeit gesunken, hat Waldemar Dombrowski beobachtet.
Auch sexuelle Anzüglichkeiten gebe es häufiger. Den Grund sieht Dombrowski in den sozialen Netzwerken. Dort mache es Schule, schnell mal einen aggressiven Ton anzuschlagen. Bei den körperlichen Bedrohungen habe sich aber nichts verändert, findet der Arbeitsamts-Chef.