Starnberger Jobcenter-Mitarbeiter werden angegriffen, angespuckt und bedroht

Ausraster im Jobcenter: Starnberger Mitarbeiter werden angegriffen, angespuckt und bedroht. Längere Öffnungszeiten sollen die Lage entschärfen.

Wenn einem der Nachbar zu sehr auf den Leib rückt, wenn die Luft schlecht, die Verständigung schwierig und die Wartezeit lang ist, wenn Menschen generell unzufrieden sind mit ihrer Lage, dann kann es schnell zu Aggressionen kommen. Die Mitarbeiter des Starnberger Jobcenters wissen das. Sie werden schon mal angespuckt, verbal bedroht oder sogar tätlich angegriffen.

Zusätzliche Öffnungszeiten sollen die Lage entschärfen – „Es war so überlaufen, dass es nicht mehr zumutbar war“, sagt Geschäftsführer Gerhart Schindler.

Gerhart Schindler ist Sozialarbeiter durch und durch. Er ist Chef des Jobcenters Starnberg. Seine Arbeit ist immer schwieriger geworden – und gefährlicher. Wie gefährlich, zeigt ein Plakat am Eingang zum Jobcenter. Darauf ist unter anderem zu lesen, dass im Jobcenter weder Waffen noch Sachbeschädigungen, Belästigungen oder Beleidigungen akzeptiert werden. „Ich habe null Toleranz gegenüber Aggressionen und Gewalt“, sagt Schindler. Er selbst sei einmal von einem Angetrunkenen an die Wand geworfen worden, eine Mitarbeiterin sei bespuckt worden, und ein anderer Kunde habe gedroht, das nächste Mal mit einer Pistole zu kommen.

In solchen Fällen sind der Security-Mann, der seit einiger Zeit Dienst tut im Jobcenter, und die Polizei schnell zur Stelle. Schindler: „Und ich erlaube mir, Hausverbote zu erteilen.“ Heißt: Der Übeltäter wird nur hereingelassen, wenn er einen Termin hat.

1550 Bedarfsgemeinschaften werden derzeit vom Jobcenter betreut. Eine Bedarfsgemeinschaft kann aus einer Person oder aus einer mehrköpfigen Familie bestehen. Sie teilen sich laut Schindler auf in etwa 1800 Hartz-IV-Empfänger und 695 Langzeitarbeitslose. Mittlerweile sind 33 Prozent der Jobcenter-Kunden – um die 600 – anerkannte Flüchtlinge. „Das sind aber nicht die, die ausfällig werden“, sagt Gerhart Schindler. Die Flüchtlinge hätten zwar oft falsche Vorstellungen von der hiesigen Arbeitswelt, aber sie seien freundlich und geduldig. Wer in seiner Heimat an Fahrrädern herumgebastelt habe, kann hier nicht gleich Kfz-Mechatroniker werden. Trotzdem, sagt Schindler, „haben wir eine gute Integrationsquote“.

Ausrasten würden deutsche Kunden, weil sie angetrunken seien, sich schlecht behandelt fühlten oder zu lange auf ihr Geld warten müssten. „Wenn alle Unterlagen vorliegen, muss ein Antrag innerhalb von 15 Tagen bearbeitet sein, und das halten wir ein“, sagt der 62-Jährige. Wobei die Betonung auf „allen“ Unterlagen liegt. Dazu gehören außer dem Ausweis zum Beispiel die Kontoauszüge der letzten drei Monate. „Die Hilfsbedürftigkeit muss plausibel sein.“ Jeder einzelne Antrag braucht eine sorgfältige Prüfung, denn nach dem Gesetz „dürfen wir nur denjenigen Geld geben, die wirklich nichts haben und es brauchen“. Freilich ist im Sozialgesetzbuch II auch das Wort „Ermessen“ zu finden. Dazu braucht es wiederum geschultes Personal. Auch wenn Schindler derzeit über „49 Köpfe“ verfügt – einige Mitarbeiter waren oder sind über Wochen krank. „Dann wird es schwierig.“ Weniger Personal bedeutet eine längere Bearbeitungszeit im Leistungsbereich. Neues Personal zu finden, ist auch nicht einfach, denn „die Arbeit in einem Jobcenter ist nicht ganz so attraktiv“, weiß der Geschäftsführer.

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